Das erste Mal in Finnland
Von TRAVELIKI-Mitglied Tarja Prüss (Reiseblog: tarjasblog.de)
Man vergisst es nicht. Es bleibt im Gedächtnis wie der erste Kuss, das erste Besäufnis, das erste Auto und der erste Liebeskummer.
Manchmal bedauere ich es. Denn das erste Mal ist immer etwas Besonderes, Einmaliges. Auf jeden Fall etwas, das man nicht wiederholen kann. Hinter dem man nie wieder zurück kann, wenn es einmal passiert ist. Insofern beneide ich die, die noch nie in Finnland waren. Denn sie haben ihr erstes Mal noch vor sich.
Das erste Mal Finnland! Das erste Mal Finnland ist ein Wagnis, ein Sich-einlassen – auf Neues, Unbekanntes, eine Begegnung mit Stille und Natur, aber auch ein Treffen auf Extreme. Es könnte sein, dass ihre Klischees wie Seifenblasen im Kopf platzen, dass sie schlaflos Nächte nicht mehr verfluchen und dass sich ihr Stresspegel plötzlich scheinbar grundlos senkt wie ein Stein, der langsam auf den Seegrund absinkt.
1. Der erste Eindruck: die Hauptstadt Helsinki
Unbedingt zuerst die weiße Schönheit am Meer, die Hauptstadt Helsinki besuchen. Den Dom bewundern und von da zum Marktplatz schlendern. In der Markthalle Piirakka probieren. Kreuz und quer mit dem gelbem Leihfahrrad durch die Stadt gurken, vorbei an Parlament, Oper, Bibliothek und Kunstmuseum – oder noch besser: rein, sich vollsaugen mit neuen Eindrücken. Mit einem der Ausflugsboote die Inseln vor Helsinki bewundern, dabei frische Erbsen futtern und den Wind um die Nase, das Meer und die Ausblicke genießen.
In einer der öffentlichen Saunen schwitzen, anschließend ins Meer hüpfen und den schockierenden Temperaturunterschied toll finden. Sich von der grünen Straßenbahn ins Nachtleben hineinkatapultieren lassen, dabei Korvapuusti (Hefeschnecken) verkrümeln. Tanzen und den Kultdrink Lonkero probieren. Und gegen Mitternacht die höchsten Hotelterrassen erklimmen, um den kitschigsten Sonnenuntergang aller Zeiten zu genießen. Und dabei dann doch romantisch werden.
2. Die erste Begegnung mit der Natur
Finnland ist ungefähr so groß wie Deutschland, allerdings leben auf selber Fläche nur 5,5 Millionen Menschen. In die Quere kommt man sich da selten, was allerdings auch an der Rücksichtnahme der Finnen/innen liegt. 300 Meter zum nächsten Nachbarn sind angenehm, gerne dürfen es auch etwas mehr sein.
Über 70 Prozent der Landesfläche bestehen aus Wald. Hinzu kommen noch 188.000 Seen (wobei die kleinen nicht mitgezählt werden). Da kann man der Natur schlicht nicht entkommen. Wäre auch nicht zu empfehlen, denn ein Tag am See oder im Wald gehören sozusagen zum Pflichtprogramm, sonst war man nicht in Finnland.
3. Das erste Mal SAUNA in Finnland
Dasselbe trifft für Sauna zu. Auch so manch enthaltsamer Entsager kommt in Finnland auf den Geschmack. Denn Sauna ist Lebensart (lies dazu auch den Artikel Sauna – fünf Buchstaben für eine ganze Lebensart) und gehört zum Alltag wie Zähneputzen. Verbotsschilder und die „zehn goldenen Sauna-Regeln“ sucht man jedoch in den finnischen Schwitzhütten vergeblich.
In der Sauna-Hauptstadt Tampere habe ich mal einen Mann getroffen, der meinte, Sauna sei lebensgefährlich. Er kam aus Asien und war noch nie zuvor in der finnischen Sauna gewesen. Heute betreibt er die erste öffentliche Sauna in Taiwan. Wie es dazu kam, erfahrt ihr hier.
4. Der erste Bissen Finnland
Ob du dich nun für die Hefeschnecken (Korvapuusti) entscheiden, für Lakritz, Erbsen oder Softeis. In der Hauptstadt wirst du fast an jeder Ecke fündig. Sommerkioske und gemütliche Cafés locken die Besucher. Finnische Spezialitäten sind Kalakukko (Fisch im Brotteig), Rentiergeschnetzeltes (vor allem in Lappland) und Karjalan Piirakka (karelische Piroggen). Mehr Infos zu Finnischer Esskultur und Rezepten.
5. Der erste Kaffee … oder der erste Rausch
Finnland ist lange Zeit Weltmeister gewesen im Kaffeekonsum pro Kopf. Nur letztes Jahr hat es den Titel mal kurz abgegeben und sich auf Platz zwei erholt. Überall im Land schießen mittlerweile kleine Cafés und lokale Röstereien wie Pilze aus dem Boden.
Finnisches Bier kommt meist martialisch daher, mit einem starken Löwen oder einem respekteinflößenden Bären. Doch die Umdrehungen sind genauso harmlos wie anderswo. Hinterlistiger, dafür süßer, kommt Lonkero daher: ein Kultgetränk aus Gin und Grapefruitsaft. Trinkt sich wie Saft, jedoch mit anderer Wirkung. Wobei das erwartbare Kopfweh am nächsten Morgen ausbleibt.
6. Das erste Wort finnisch
In der finnischen Hauptstadt sind die Wege kurz, die Sommer auch, die Nächte hell und die Menschen freundlich. Jeder duzt jeden. „Moi“ oder „Hei“ bedeuten soviel wie „Hallo“/„Grüß dich“. Das wichtigste Wort für einen Gast ist jedoch „Kiitos“ (gesprochen Kie-toss) = Danke. Jeder und jede bedankt sich für alles, für den Kaffee, fürs Bezahlen, für das Rückgeld, fürs Ticket, beim Busfahrer. Kiitos – das kostet nichts und sorgt für positiven mood und gutes Karma.
7. Die erste Nacht im finnischen Mökki
Das Ferienhaus am See ist der Inbegriff für Entschleunigen auf finnische Art. Hier kann man angeln, schwimmen oder rudern. Im Wald warten Pilze und Beeren darauf, gepflückt zu werden. Abends wie die Sauna angeheizt und Lagerfeuer angezündet. Und das Beste: Nichts muss, alles kann, alles darf – und jeder so, wie er mag. Relaxen und das einfache Leben genießen – das ist finnisches Zen.
8. Der erste Kontakt mit der magischen Linie
Es gibt Linien, Orte und Plätze, die sind magisch. Lappland ist so eine Region. Noch mehr: die magische Linie des Polarkreises: 66° 33′ 55″. Hier geht im Sommer die Sonne nicht mehr unter und im Winter nicht mehr auf. Polartag und Polarnacht nennt man die faszinierende Zeiten der hellen Nächte beziehungsweise der blauen Tage.
9. Erste Wildnis-Erfahrungen
Finnland ist nicht nur ein vielseitiges, manchmal karges, sondern vor allem wildes Land. Rentiere begegnen einem auf der Straße, Elche und Bären in freier Wildbahn. Zumindest theoretisch: Bären, Wölfe und Vielfraße sind so scheu, dass du sie kaum zu sehen bekommen wirst, auch wenn sie da sind.
10. Die ersten Polarlichter
Manchmal glüht der finnische Himmel in grün. Die ersten Polarlichter am nächtlichen Firmament sind faszinierend, unvergesslich und betörend schön. Dafür schlägt man sich gerne mal eine Nacht um die Ohren.
Wie du sicher bemerkt hast, lässt sich manches hier nicht verbinden. Das eine gibt es nur im Sommer, das andere nur im Winter; jenes im Süden, anderes im Norden des Landes. Das ist schließlich auch das Gute: Dann muss man noch mal wiederkommen. Und das wirst du. Denn die meisten, die „das erste Mal“ hinter sich haben, werden zu Wiederholungstätern.
Finnlandfans, Polarlichtverrückte, Natur-Freaks und Sauna-Enthusiasten. So unterschiedlich sie sind, so unterschiedlich ist auch das Land und seine Menschen. Gemeinsam ist ihnen die Liebe zu Finnland. Sie alle sind willkommen: Tervetuola suomeen!
Oft heißt es: Das erste Mal ist das Beste.
In diesem Fall ist das erste Mal nicht das Beste, das Schönste, Tollste – zumindest nicht nur und nicht ausschließlich. Schließlich gibt es viel zu entdecken. Zwischen Helsinki und Inari liegen locker 800 Kilometer. Du wirst sehen: Nach dem zweiten Mal wirst du sagen: ….. Was wirst du wohl sagen? Probiere es, finde es heraus. Ich wünsche viel Spaß beim Entdecken und Sich-Verlieben in Finnland.

Von TRAVELIKI-Mitglied Tarja Prüss (Reiseblog: tarjasblog.de)